VON DER GRUNDHERRSCHAFT ZUR GEMEINDE

 

Bis zum Jahr 1848 bestimmten die Grundherrschaften weitgehend alle Lebensbereiche der ländlichen Bevölkerung, die innerhalb dieses Beziehungsgeflechtes fast keinen Raum für öffentliche Eigenverantwortung im Sinne von Vereinstätigkeit oder selbstständige und autonome Gestaltung des Gemeindelebens hatten. Lediglich im Rahmen des Pfarrlebens hatte die Bevölkerung die Möglichkeit der Mitbestimmung: Die Pfarrgemeinde wählte nachweislich alljährlich seit dem Spätmittelalter aus ihrer Mitte zwei Personen, die für die Verwaltung des Kirchenvermögens, bestehend aus Kirchenkassa, Kirchengült und Kirchengebäude, verantwortlich waren, auch wenn dies unter der Oberaufsicht von Pfarrer und Vogteiherrschaft geschah. Die Kirche bot somit als einzige Institution vor 1848 die Chance einer „demokratischen”, auf Wahl basierenden Eigenverantwortlichkeit der Pfarrbevölkerung. Anders gestalteten sich die Lebensmöglichkeiten der Menschen, die in Städten und in manchen Märkten lebten: sie waren persönlich frei, auch wenn die Stadt- oder Marktherrschaft — das konnten der Landesfürst, Bischöfe oder Adelsfamilie sein — vielfachen Einfluss auf die dortigen Bewohner ausübten. Auch wenn die patrimonialen Beziehungsgeflechte bis 1848 bestanden und über die Grundherrschaften hinaus für die bäuerliche Bevölkerung wenig Möglichkeiten von Kontakten zur Regierung und ihren Dienststellen bestand, so wurden doch bereits ab der Mitte des 18. Jahrhunderts zur Regierungszeit Maria Theresias und ihres Sohnes Kaiser Joseph II. Maßnahmen zum Schutz der Bauern, zur Kontrolle der grundherrschaftlichen Verwaltung durch die Einrichtung von Mittelbehörden zwischen Grundherrschaft und Regierung gesetzt. Auch Gemeinden als neue Ordnungsstrukturen begannen sich ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts abzuzeichnen, in deren Rahmen Gemeinderichter und Gemeindeausschüsse als Vorläufer der ab 1850 institutionalisierten Gemeindevorsteher bzw. Bürgermeister mit Gemeinderäten zu sehen sind. Über diese Vorläufer der frühdemokratischen Einrichtung wird im Folgenden ebenso geschrieben wie über Gemeindeselbstverwaltung und Leben in der autonomen Ortsgemeinde.

Kreisamt, Bezirksamt und Steuergemeinde

Bis ins 18. Jahrhundert war die jeweilige Grundherrschaft die fast einzige, das rechtliche, soziale und wirtschaftliche Leben der Bewohner unserer Gemeinde prägende Autorität, damit aber auch Sitz der beherrschenden Behörde. Nur im Rahmen des Landgerichtes wurde die Hochgerichtsbarkeit für todeswürdige Verbrechen vom Landgericht Murau auch über Untertanenausgeübt, die zu einer anderen Grundherrschaft gehörten, Sonst gab es für die bäuerliche Bevölkerung kaum Zugangsmöglichkeiten zur Landesregierung oder zur Statthalterei in Graz und schon gar nicht an den Kaiserhof. Erst unter Maria Theresia (1740—1780) wurde mit der Einführung der Kreisämter in Judenburg, Bruck, Graz, Marburg und Cilli im Jahr 1747 eine staatliche Mittelinstanz geschaffen, die die Amtsführung der grundherrschaftlichen Behörden überwachte und zugleich Berufungsstelle für Untertanenbeschwerden war. Damit war erstmals eine, wenn auch nur lockere Kontrolle der Grundherrschaften installiert. Die Kreisämter delegierten im Laufe der Zeit immer mehr Verwaltungsaufgaben an die Grundherren. Eine gezielte öffentlich-staatliche Verwaltung des Landes durch die Grundherrschaften wurde jedoch durch deren große örtliche Zersplitterung sehr erschwert, denn es gab kaum geschlossene Herrschaftsbereiche einer Grundherrschaft. Auch innerhalb unserer Dörfer und Siedlungsräume waren im 18. Jahrhundert mehrere Grundherren mit eigenen Untertanenvertreten. Der erste Anstoß für die Organisation einer nicht mehr ausschließlich aufgrund der Herrschaftszugehörigkeit organisierten Verwaltung kam seitens des Militärs. Im Zuge der Neuordnung des Heerwesens und infolge des Überganges vorn Söldnerheer zum Volksheer sollten die Rekruten aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht ausgehoben werden. Ab 1769 wurde das Rekrutierungswesen neu geordnet. Dabei wurde klar, dass eine einigermaßen flächendeckende Aushebung zum Militärdienst über die zersplitterten Grundherrschaften nur schwer durchzuführen war und die Verfolgung von Fahnenflüchtigen äußerst behindert wurde. Diese „Konskription” als allgemeine „Seelenbeschreibung des männlichen Geschlechtes” durch Kreisdeputierte und Offiziere erlaubte dem Staat, sich über die Zusammensetzung der Bevölkerung ein Bild zu verschaffen und die Untertanen auch zu lokalisieren und somit auch strittige Fragen der Gemeindezugehörigkeit und folglich des Heimatrechtes zu klären. Die Konskription ersetzte die bisher übliche Werbung von Soldaten durch die Feldherren und begründete die allgemeine Militärpflicht für alle männlichen Untertanen. Aus der Konskription entstand in der Form der Seelenzählung schrittweise die Volkszählung, die 1857 eingeführt wurde. Im Bereich der alten Mutterpfarre Ranten wurden 1769/1770 die Nummerierungsabschnitte Seebach, Freiberg, Ranten und Tratten gebildet, die 1850 auch die Grundlage für die vier Ortsgemeinden bilden sollten.

Detaillierte Einwohnerzahlen für die Nummerierungsabschnitte gibt es erst aus dem Jahr 1782 mit folgenden Ergebnissen:

Seebach: 268
Freiberg: 271
Ranten: 295
Tratten und Rottenmann: 253
Rinegg: 245

Ausschnitt aus dem Franziszeischen Kataster der Katastralgemeinde Ranten vom Jahr 1823

Um nun die Einwohner für die Truppenaushebung besser und vollständiger erfassen zu können, wurde im Jahr 1781 das Konskriptions— und Werbbezirkssystem eingeführt und brachte einen massiven Eingriff in das System der Grundherrschaft mit sich. Als Verwaltungseinheit wurden die Pfarrsprengel herangezogen. Für die Vollständigkeit der Konskriptionslisten waren die Pfarrer verantwortlich, die von Kaiser Joseph auch mit der staatlichen Matrikenführung betraut wurden, welche übrigens bis 1938 von der Kirche wahrgenommen wurde. Durch das Konskriptionspatent von 1804 wurde das Konskriptionswesen zu einem Instrument der allgemeinen Volkszählung. Mit diesem Patent wurde auch die Aufstellung von Ortstafeln vorgeschrieben, auf denen Orts—, Kreisname und Bezirksnummer zu vermerken waren; auch die Anbringung von Hausnummerntafeln wurde mit diesem Patent vorgeschrieben. Als Werbbezirksobrigkeit wurde jeweils die bedeutendste Grundherrschaft oder auch ein Stadtmagistrat innerhalb des neu geschaffenen Werbbezirkes mit der Wahrnehmung dieser Agenden betraut. Die neuen Werbbezirke wurden auf der Grundlage der Pfarrgrenzen geschaffen, und zwar so, dass jeweils eine oder mehrere Pfarren zu einer Werbbezirkseinheit zusammengefasst wurden. Innerhalb der Pfarren wurden die einzelnen Ortschaften bzw. Siedlungen in Gruppen von 100 bis 150 Häusern durchnummeriert, so dass nun erstmals jedes Haus eine Konskriptionsnummer zugewiesen bekam; das war der Anfang der Hausnummern. Mit „konskribieren" bezeichnete man die Truppenaushebung. So sind damals die sogenannten Konskriptionsgemeinden als Vorläufer der späteren Steuer- oder Katastralgemeinden gebildet worden, deren Grenzen jedoch nicht immer ident sind. Auch Murau wurde damals Sitz eines Werbbezirkes für die Pfarrgebiete von Ranten, Murau, St. Georgen ob Murau mit den Vikariaten von St. Lorenzen und Stadl. Im Laufe der Zeit wurden diesen Werbbezirken über die Anwerbung von Rekruten hinaus immer mehr staatliche Aufgaben übertragen, so dass aus der militärischen Einrichtung eine echte Verwaltungsbehörde auf der mittleren Ebene wurde. Der jeweilige Verwalter der Herrschaft Murau war durch diese Verwaltungsorganisation der neuen, auf Grundherrschaftsbasis eingerichteten Bezirksämter zugleich auch staatlicher Werbbezirkskommissär, der nicht nur für die Rekrutierung zuständig, sondern beispielsweise auch im Zuge der Theresianischen Schulreform für das Schulwesen mitverantwortlich war, soweit damit nicht die Schulaufsichtsrechte des Pfarrers, Dechants oder Bischofs berührt wurden. Bald kamen dazu Angelegenheiten der Straßenerhaltung, des Armenwesens und der Gewerbeaufsicht. Der Werbbezirk, der später als Bezirksobrigkeit oder politischer Bezirk bezeichnet wurde, bestand bis zur Neuorganisation der gesamten staatlichen Verwaltung im Jahr 1850. Die Nummerierungsabschnitte oder Konskriptionsgemeinden wurden im Großen und Ganzen bei der Anlegung des Josephinisehen Katasters im Jahr 1786 beibehalten und nunmehr als Steuergemeinden bezeichnet; damals entstanden im Gebiet der heutigen Ortsgemeinde Ranten die Steuergemeinden Seebach, Ranten, Freiberg und Tratten. Die bisherigen Werbbezirke wurden deshalb häufig auch als „Steuerbezirke“ angesprochen. Als dann im Jahr 1817 Kaiser Franz I. eine Neuvermessung des Landes anordnete, wurde bis zum Jahr 1826 für jede josephinische Steuergemeinde des Herzogtums Steiermark durch Geometer eine eigene Katastermappe im Maßstab 1 : 2880 angelegt; das ist der sogenannte Franziszeische oder Stabile Kataster, der bis heute Gültigkeit hat. Im Zuge der Einführung von Konskriptions— bzw. Steuergemeinden im Zusammenhang mit der Hausnummerierung im Jahr 1770 und der Anlegung des Josephinischen Katasters im Jahr 1786 wurden seitens der Grundherrschaft bzw. Werbbezirksherrschaft für jede Steuergemeinde eigene Gemeinderichter mit zwei oder drei geschworenen Ausschussmitgliedern bestellt, die zwar grundherrschaftliche oder mittelbare staatliche Aufgaben zu erfüllen hatten, sich aber bald auch zu allerdings nicht gewählten Vertretern der Gemeinde profilierten. Dieser obrigkeitliche Gemeinderichter ist also nicht mit dem einstigen von der Nachbarschaft gewählten Dorfrichter oder Suppan, wie er vor allem in der Mittel- und Untersteiermark zu finden ist, gleichzusetzen. Aufgrund des kaiserlichen Patentes von 1817 wurden wenige Jahre später die Steuergemeinden für die Arbeiten am Franziszeischen Kataster wieder als Grundlage herangezogen. Auf diese Weise entstanden die vielfach bis heute in ihren Grenzen unveränderten Katastralgerneinden.Als 1823 der Stabile oder Franziszeische Kataster unserer Gemeinden fertig gestellt war, wurde er den jeweiligen Gemeinderichtern und Ausschussmitgliedern der Katastralgemeinden zur Bestätigung vorgelegt. Auch hier scheinen sie als Vertreter der vier Katastralgemeinde im Rantental auf. Als Gemeinderichter wurden vor allem angesehene und verlässliche Bauern genommen, wobei vielfach jene Bauern, die schon früher als grundherrschaftliche Amtmänner fungiert hatten, auch in dieses neue Amt hineinwuchsen. Der Gemeinderichter wurde unter Aufsicht der Bezirksobrigkeit von den bäuerlichen Besitzern der Gemeinde gewählt und vom Kreisamt bestätigt. Zwischen 1770 und 1850 kommen in verschiedenen Dokumenten immer wieder die Gemeinde als in bestimmten Angelegenheiten handelnde Versammlung der Besitzer sowie Namen von Gemeinderichtern und Ausschussmitgliedern auf dem Gebiet unserer Pfarre vor. Beispielsweise war 1835 Johann Mayrhofer Ortsschulaufseher und Gemeindevorsteher von Ranten.

 Ranten im Jahr 1905

Die Märzrevolution 1848 und die Konstituierung der Ortsgemeinde 1850

Im März 1848 brach in Wien die Revolution aus. Am Ende dieses Sturmjahres standen zwar die antirevolutionären Kräfte mit dem jungen Kaiser Franz Joseph I. an der Spitze als Sieger da, aber der Staat war doch nicht mehr derselbe. Diese Ereignisse zogen umfangreiche Veränderungen in der Verwaltungsstruktur und der Gerichtsbarkeit nach sich. An die Stelle der Grundherrschaften mit allen ihren Rechten und Pflichten traten 1850 staatliche Behörden. Auf Bezirksebene wurde von 1850 bis 1854 mit den neu geschaffenen Bezirkshauptmannschaften und Bezirksgerichten die Trennung von Justiz und Verwaltung zur Realität. Jeder politische Bezirk umfasste mehrere Gerichtsbezirke. Von 1850 bis 1860 bestand außerdem noch eine Kreisregierung in Bruck, die den obersteirischen Bezirken übergeordnet war. Ab 1854 fungierten sogenannte gemischte Bezirksämter, die Verwaltung und Justiz der unteren Ebene wieder in einer Behörde vereinigten. Ihr Amtsbereich entsprach den bisherigen Gerichtsbezirken. Erst 1868 wurde erneut die bis heute übliche Trennung von Bezirkshauptmannschaften und Bezirksgerichten eingeführt. Ranten lag im Amtsbereich der Bezirkshauptmannschaft bzw. des Bezirksamtes Murau. Die tiefgreifendsten Änderungen, die während des Revolutionsjahres 1848 oder als Folge davon wirksam wurden, waren aber sicherlich die Errichtung der selbstständigen Ortsgemeinde und die Abschaffung der Grunduntertänigkeit. Als Folge der Revolution und der Aufhebung der Grundherrschaft kam es schließlich zur Einrichtung der politischen Ortsgemeinden. Die Forderung nach der Gemeindeselbstverwaltung wurde bereits vor dem Sturmjahr 1848 verschiedentlich diskutiert und gehörte seit Beginn der Revolution im März 1848 zum Inventar der revolutionären Forderungskataloge. Die entscheidenden Schritte zur Realisierung der Gemeindeselbstverwaltung gingen letztendlich von der neoabsolutistischen Regierung Schwarzenberg aus. Am Beginn des am 17. März 1849 verlautbarten provisorischen Gemeindegesetzes stand der programmatische Satz: „Die Grundfeste des freien Staates ist die freie Gemeinde.” Damit wurde die Ortsgemeinde als kleinste staatliche Verwaltungseinheit geschaffen. Das Gemeindegesetz sah die Aufteilung des gesamten Staatsgebietes in Ortsgemeinden vor.

Im Jahr 1850 wurden die vier autonomen Ortsgemeinden Seebach, Ranten und Tratten eingerichtet. Freiberg wurde erst 1874 Ortsgemeinde. In diesen ersten Zeiten der Gemeindeselbstverwaltung waren Bauangelegenheiten noch eine Kompetenz des Bezirksamtes bzw. der Bezirkshauptmannschaft Murau. Deshalb finden sich die Bauakten mit den Bauplänen auch für unsere Ortsgemeinden für die ersten Jahre in den Archivbeständen der Bezirksbehörde. Am 9. August 1853 erhielt Thomas Puff in Ranten die Schmiedgerechtsarne verliehen. 1863 suchte Bartlme Klingsbichl vlg. Schiffer in Ranten um die Genehmigung für den Wiederaufbau seines abgebrannten Wirtschaftsgebäudes an. Ein weiteres Beispiel: Aus dem Jahr 1863 liegt im Bestand des Bezirksamtes Murau das Ansuchen des Johann Rabenhap vlg. Fludermüller in Ratschfeld um Errichtung einer Hausmühle vor. Andreas Puff vlg. Katschtaler suchte um Errichtung einer Handschmiede an und legte einen diesbezüglichen Bauplan vor. 1862 meldete der Murauer Handelsmann Johann Steyrer das Gewerbe der Gemischtwarenhandlung im Haus Ranten Nr. 17 (Kreuzweberhaus) an.

Auszug aus der Niederschrift der Wahl vom 20.10.1864:

Am 20. Oktober 1864 fand um 9 Uhr Vormittag im Haus des Schieferwirtes in Ranten die Wahl des Gemeindevorstehers, der Gemeinderäte und des Ausschusses und der Ersatzmänner statt. Am 3. November 1864 wurde folgender Gemeindevorstand angelobt: Georg Pistrich vlg. Steiner als Gemeindevorsteher, Georg Dorfer vig. Schalch — 1. Gemeinderat, Mathias Winkler vlg. Draschl — 2. Gemeinderat
Letzterer unterfertigte mit einem Kreuz, die zwei anderen eigenhändig.

Mit 1. Jänner 1948 wurden die Gemeinden Ranten und Tratten zwangsweise zur Gemeinde Ranten vereint. Sieben Jahre später wurde Freiberg und Seebach eingemeindet (1. Jänner 1965). Im Zuge der Gemeindestrukturreform wurden per 01. Jänner 2015 die Gemeinden Ranten und Rinegg ebenfalls zur Gemeinde Ranten fusioniert.

 

 

Der amtierende Gemeinderat nach der Gemeinderatswahl im Jahr 2020

 

 

Quelle:

Gemeindechronik von Ranten (Dr. Walter Brunner)